Kritik zum ARD-Krimi
Zweiter „Polizeiruf 110″ mit Johanna Wokalek: Lohnt sich das Einschalten?
![Zweiter „Polizeiruf 110″ mit Johanna Wokalek: Lohnt sich das Einschalten? (1) Zweiter „Polizeiruf 110″ mit Johanna Wokalek: Lohnt sich das Einschalten? (1)](https://i0.wp.com/www.rnd.de/resizer/v2/T3ESD42UI5HZRCUR2BZWWKJO6E.jpeg?auth=aa6628db7a670117f1771a40a8b608da9cc79b77e89b22f0191f7491e88191c0&quality=70&width=428&height=241&smart=true)
Cris Blohm (Johanna Wokalek) kommt nochmal an den Ort des Brandes, wo immer noch die Absperrbänder hängen.
Quelle: BR/Sappralot Productions GmbH/Al
Artikel anhören
• 4 Minuten
In München stirbt eine Putzkraft in einem brennenden Industriegebäude. Johanna Wokalek gibt in dem starken „Polizeiruf 110: Funkensommer″ die zuckende Ermittlerin. So blickt unser Rezensent auf den ARD-Krimi, mit dem sich die Reihe in die Sommerpause verabschiedet.
![Zweiter „Polizeiruf 110″ mit Johanna Wokalek: Lohnt sich das Einschalten? (2) Zweiter „Polizeiruf 110″ mit Johanna Wokalek: Lohnt sich das Einschalten? (2)](https://i0.wp.com/www.rnd.de/resizer/v2/https%3A%2F%2Fs3.amazonaws.com%2Farc-authors%2Fmadsack%2F1a25e696-8c61-431c-beba-5a831ba073c0.png?auth=91f7331c2808608b07a7e4df5d262b4ada1551234c217ef51168062a3ed9f7fe&quality=70&width=56&height=56&smart=true)
Leider darf die Lösung hier noch nicht verraten werden, das ist schade, denn das Ende ist so fulminant, gegen jede Logik, trotzdem wirkt es zwingend. Es wird so beiläufig von dieser Kommissarin formuliert, um die man sich gleich von den ersten Bildern an ein wenig sorgt. Cris Blohm löst ihren zweiten Fall im Münchner „Polizeiruf 110″, Johanna Wokalek spielt sie als eine in sich ruhende, doch nervlich immer wieder zuckende Ermittlerin, die in der ersten Szene ihren Taxifahrer bittet, den Jazz im Radio auszustellen. Musik verhagelt ihr die Stimmung. Menschen erst recht.
Weiterlesen nach der
Anzeige
Weiterlesen nach der
Anzeige
Blohm sagt ihre Sätze auf wie ein Gedicht, immer gut betont, immer etwas künstlich, der Lyrik eher verpflichtet als dem Leben. Ihr Temperament ist maximal herabgedimmt, deshalb ist es eine interessante, fast zynisch ausgekleidete Pointe, dass sie in einem Feuermord ermitteln muss. Eine Frau verpufft bei 1000 Grad. Blohm hingegen lebt fast durchweg am Gefrierpunkt.
Eine poetische Liebesszene, wie Hollywood es nie hinbekäme
Was nicht heißen soll, dass kein Gefühl in dieser Frau zu Hause wäre. Es gibt auf halber Strecke dieser Folge „Funkensommer“ (Regie und Drehbuch: Alexander Adolph) eine Liebesszene, die so poetisch ist, wie sie das in Hollywood nie hinbekämen. Blohm liegt in den Armen des Brandermittlers Hanno (Golo Euler). Ein Schönling, der sie zu Beginn des Filmes rigoros geschnitten hat. Blohm sagt: „Danke für den zauberhaften Abend.“
Weiterlesen nach der
Anzeige
Weiterlesen nach der
Anzeige
Ein altes Industriegebäude brannte ab, es gehörte der Familie Hechtle, wirtschaftliche Hautevolee von München. Das Gebäude sollte abgerissen werden, um dort neu zu bauen. Doch die Genehmigung zum Abriss lag nicht vor. Hat die Familie das Gemäuer selber angezündet, um die Sache zu beschleunigen? Zuzutrauen wäre es der Sippe, sie wird ausgestellt mit Anleihen des Horrors, als eine Art von Adams Family. Degeneriert von ihrem Geld, gezeichnet von der Dekadenz des Reichtums. Der alte Vater (Johann Schuler) deliriert, die Tochter (Marlene Morreis) schminkt sich ihre Kälte aus dem Antlitz, der Sohn (Frederic Linkemann) ist getrieben von Cholerik. Er schreit „Du Sau!“, wenn er den Kommissar dabei erwischt, wie er mit seinem alten Vater spricht.
![Zweiter „Polizeiruf 110″ mit Johanna Wokalek: Lohnt sich das Einschalten? (3) Zweiter „Polizeiruf 110″ mit Johanna Wokalek: Lohnt sich das Einschalten? (3)](https://i0.wp.com/www.rnd.de/resizer/v2/3VQXJCAGGNC7HAZKMIKFPTKAM4.jpg?auth=e44f2cbb35159962a2fbb4c266e3009a331d1b177f7d2b1c5b531d09b84133ed&quality=70&width=263&height=148&smart=true)
Das Stream-Team
Die besten Serien- und Filmtipps für Netflix und Co. – jeden Monat neu.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Es passt in keiner Weise zwischen den Kommissaren
Der Kommissar heißt Dennis Eden (Stephan Zinner), frisch im Team mit Blohm, es passt in keiner Weise zwischen diesen beiden. Weil Blohm den siebten, achten oder neunten Sinn hat, sagt sie Eden seelenruhig: „Ich muss Taxi fahren, weil du den Dienstwagen nimmst, um deine Freundin zu betrügen.“ Das sind Sätze wie in Stein gehauen.
Das Opfer dieses Filmes ist im Temperament exakt das Gegenstück zur Kommissarin Blohm. Bevor die Frau im Brand des alten Hechtle-Hauses umkam, hatte sie geputzt bei der Familie. Sechs Euro die Stunde. Kam aus Kolumbien, war illegal in Deutschland, doch ein beherzter, guter Mensch. Der Wachmann Busch (Gerhard Wittmann) hatte mit ihr geraucht, geplaudert. War leicht verliebt. Er steht unter Verdacht, sie umgebracht zu haben. Busch kann sich von dem Vorwurf nicht erholen. Er wird tot aufgefunden in der eigenen Küche. War es Selbstmord?
Der „Polizeiruf“ lebt durchweg von Kontrasten
Das Herz von Blohm hingegen pumpt gehörig, ist auch sie verliebt? Hanno, der Brandexperte von der Polizei, flirtet, und weil Cris Blohm sowas nicht kennt, zeigt sie keine Gegenwehr. Hanno ruft ihr hinterher: „Du spinnst schon a bissl, Crissi?“ Er sagt es nicht mit Spott, fast klingt es zärtlich. Wie man in den Münchner Bussi-Kreisen eben Komplimente macht. Heile kommt man aus der Nummer nicht heraus.
Weiterlesen nach der
Anzeige
Weiterlesen nach der
Anzeige
Der Film lebt durchweg von Kontrasten, die Reichen und die Armen, die Ernsten und die Spieler, und wenn im Hause Hechtle wieder mal was brennt, zum Beispiel das Gemüt des Sohnes Sandro, wird sanfte Zupfmusik unter das Bild gelegt. Alles wird mit allem aufgewogen. Bis endlich die Pointe glimmt, und alles niederbrennt, was vorher noch wie Ironie gewirkt hat. Ein Ende, wie es im Sonntagskrimi lange keines mehr gegeben hat.
Wie viel Sterne gibt‘s für den „Polizeiruf 110“?
4 von 5
Aktuelle Meldungen und Kritiken zum „Polizeiruf 110“ finden Sie auf unserer Themenseite.